Angehörigenintegration

Die Situation von Angehörigen in der Behandlung und Versorgung von Patienten, Pflege- bzw. Unterstützungsbedürftigen

Wer ist Angehöriger?

Angehörige sind all jene Personen, die sich in einer vertrauten, häufig auch familiär verpflichtenden Nähe zum Patienten, zur Bewohnerin befinden. Neben Familienangehörigen können dies auch Freunde, Lebensgefährten, Nachbarn oder Kolleginnen sein. Abzugrenzen ist ein professionell tätiger Caregiver.

Was bedeutet Angehörigenintegration?

Die positive Bedeutung der Angehörigen für den Heilungs- und Rehabilitationsprozess ist genauso bewiesen wie deren praktische Bedeutung in der Pflege und Begleitung von alten, unterstützungs- bzw. pflegebedürftigen Menschen. In ungezählten Studien, theoretischen Begründungsmodellen und schlichtweg der Alltagserfahrung, konnte dies immer wieder aufgezeigt werden. Angehörigenintegration bedeutet eine aktive – durch die professionellen Akteure vorgetragene – Einbeziehung der Angehörigen entlang der therapeutischen bzw. sozial-pflegerischen Behandlungsziele. Hierzu werden systematisch planerische und umsetzungsbezogene Verfahren im Sinne eines evidenzbasierten Vorgehens durch die beruflichen Helfer eingesetzt.

Zum Stand der Angehörigenintegration in Deutschland

Das Angehörige von zentraler Bedeutung in allen Phase von Heilung und Genesung, Rehabilitation und auch längerfristiger Pflege sind, ist in den letzten 25 Jahren auch durch die Gesetzgeber und die Kostenträger erkannt worden und drückt sich nicht zuletzt auch in zahlreichen finanziellen und sozialen Unterstützungsleistungen aus. Die Einführung der Pflegeversicherung 1995 kann hier als besonderer Meilenstein angesehen werden. Auch in sozialrechtlicher Anerkennung und lebensnaher Einbindung der Angehörigen sind in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erreicht worden. Egal, ob in der Versorgungswelt des Krankenhauses, stationärer Pflegeeinrichtung oder Arztpraxis: der Blick auf die Bedeutung und Praxis der Zusammenarbeit mit den Angehörigen haben sich in den letzten Jahrzehnten zum positiven verändert. Nicht zuletzt auch aufgrund dies ermöglichender gesellschaftlicher Emanzipationsprozesse. Egal ob als Elternteil in der Kinderklinik oder als pflegender Angehöriger bei dem täglichen Besuch des Pflegedienstes, kaum ein Leistungserbringer kommt heute an einer einbindenden Auseinandersetzung mit den Angehörigen vorbei.

Warum ein neues Projekt und Buch zum Thema?

Verschiedene Fragen sollen in diesem beantwortet werden. 1. Wie ist der tatsächliche Stand der erreichten Zusammenarbeit mit den Angehörigen? Was wurde in den verschiedenen Versorgungsbereichen (von der Intensivstation zur häuslichen Versorgung) erreicht (a), welche strukturellen Bedingungen lassen sich in der Praxis identifizieren damit diese gelingen kann (b) und welche konkreten Angebote erhalten die Betroffenen in diesem Fall. 2. Wie ist die Situation in vergleichbaren europäischen Ländern, könnte von diesen gelernt werden? 3. Mit welchen Einflussgrößen ist in den nächsten beiden Jahrzehnten zu rechnen? 4. Wie werden sich die gesellschaftlichen Verhältnisse (a), die gegenwärtigen Leistungsanbieter (b) aber auch das Verhalten der betroffenen Menschen (c) sich entwickeln? Sind Auswirkungen zu erwarten die auf sich verändernde Rahmenbedingungen wie sie aus dem Anthropozän resultieren zu erwarten? Allein die Auswirkungen des steten Klimawandels auf die sozialen Beziehungen (social-support) sind – obwohl von großer Relevanz – nicht vermessen. Demnach gilt es auch grundlegende psychologische, sozialwissenschaftliche und medizinsoziologische Definitionen und Theorien einzuführen, allein um die technologischen Zukunftstreiber (man denke nur an die Visionen und Unterstützungen die durch künstliche Intelligenz (KI) und Robotik erhofft werden) für die soziale Unterstützung von Patienten und Angehörigen einzuschätzten.

Ziel, Aufbau, Inhalt und Themen

Projekt und Buch folgen dem Leitgedanken, dass auch in Zukunft Familienangehörige die wichtigsten Begleiter von Kranken, Alten und Pflegebedürftigen sein werden. Wenn also ein Blick auf die zukünftige Gesundheits- und Pflegeversorgung gerichtet wird, muss berücksichtigt werden wie sich dieses soziale Unterstützungsnetzwerk entwickeln wird. Wird die Familie auch zukünftig der größte Pflegedienst sein können bzw. wie müssen sich die Versorgungsstrukturen (a), Leistungsprozesse (b) und deren nachhaltige Finanzierung (c) anpassen, damit auch zukünftig die Menschen in Ihrem häuslichen Umfeld versorgt werden können. Von einer Situationsanalyse (Ist-Zustand) ausgehend wir ein Blick auf die nähere Zukunft genommen. Neben den im Diskurs bekannten Treibergrößen wie demographische Entwicklung, Personalmangel, soziologische Veränderungen familiärer Strukturen, Individualisierung etc. werden insbesondere die absehbaren Auswirkungen des Anthropozäns mit dessen Leitsymptom des Klimawandels antizipiert. Hierzu werden u.a. die Ergebnisse einer zu diesem Zweck 2024 durchgeführten empirischen Studie eingeführt. Damit wendet sich das Buch an all diejenigen, die in der Sozialwirtschaft, Pflege und Gesundheitsversorgung entweder als organisatorischer Leistungsanbieter (Krankenhaus, Pflege, Praxis etc.) als politisch bzw. gesellschaftlich Verantwortliche (Kostenträger, Sozial- und Gesundheitspolitiker, Patientenschutz, Selbsthilfe etc.) als auch als professionell involvierten Helfe (Pflegekräfte, Ärzte, Therapeuten) beschäftigt sind. Eine genauere inhaltliche Beschreibung siehe vorläufige Buchgliederung.

Vorarbeiten des Autors

2003 erschien ein erstes Buch von Wolfgang George mit dem Titel „Angehörigenintegration in der Pflege“ im Reinhardt-Verlag zum Thema. In diesem Buch wird u.a. der Begriff „Angehörigenintegration“ als zusammengesetztes Nomen definiert und im deutschsprachigen Raum eingeführt. Ein Begriff der sich bis heute – auch über die Pflege hinaus – verbreitet hat. Das Buch entstand als Resultat zahlreicher Projekte die das Ziel verfolgten die Zusammenarbeit mit den Betroffenen im Gesundheitswesen zu professionalisieren. 2005 erschien das Buch „Evidenzbasierte Angehörigenintegration“. In diesem wurde u.a. das wissenschaftliche Prinzip der Evidenzbasierung eingeführt, um hierdurch die evidenzbasierte Angehörigenintegration zu begründen. Gleichzeitig wurde ein nach Methoden der medizinischen Psychologie konstruiertes Assessment (Multidimensionales Inventar für Angehörige (MIA)) entwickelt, klinisch getestet und 2006 im Harcourt-Test Verlag verlegt. „Als Angehöriger zwischen Patienten und Gesetz“ erschien 2007 als Ratgeber für Helfer und Betroffene im Spitta-Verlag. Aus diesen Veröffentlichungen bzw. den mit diesen verbundenen Projekten in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und ambulanten Versorgern entstanden bis heute 32 Fachveröffentlichungen.